Warum Empathie den Bäumen mehr schadet als Schrauben

Einmal tief Luft holen… Ein wenig Mut sammeln und die ersten Stufen nehmen… Nanu? Alles fest, kein Wackeln! Alles verschraubt! 

Und sogleich stellt sich fast jeder neue Besucher des Baumhochhauses die Frage: „Macht das dem Baum denn gar nichts aus?“ 

Bei den ersten kritischen Besuchern war ich versucht eine einfache Entsprechung beim Menschen zu finden. So etwas wie: "Wie Akupunkturnadeln“ oder „Nur ein Kratzer“. 

Damit wäre ich leider tief in die Empathie-Falle getappt. Und ich weiß aus langer Berufserfahrung,  dass Empathie, obwohl doch so gut gemeint, den Bäumen auf tragische Weise oft sehr geschadet hat. 

Das ist aber kein Wunder! Die letzten gemeinsamen Vorfahren der Pflanzen und Tiere trieben vor langer, langer Zeit als Einzeller in der Ursuppe. Eines Tages hat sich einer von ihnen mit einer kleinen grünen Bakterie so nachhaltig den Magen verdorben, daß daraus die wohl erfolgreichste Symbiose aller Erdzeitalter hervorging: die höheren Pflanzen.

Bei den Bäumen, einem Lebewesen ohne Kopf, endete unsere Verwandtschaft vor etwa zwei Milliarden Jahren. Da hilft den Bäumen Empathie einfach nicht weiter.

Versuchen wir uns von der anthropomorphen Sicht auf die Bäume zu lösen. Es gilt die Welt aus der Perspektive der Pflanzen wahrzunehmen. Dabei ist das Leben der Bäume nicht geheimnisvoll, sondern eben nur ganz anders als das der Tiere und Menschen. 

Auf dem langen Weg über die Stufen hoch in die Baumkrone habe ich die Frage meist beantwortet. Ich rede von Baumbiologie. Ich rede von Evolution und CODIT, halte hier und da an. Vielleicht um Astkragen und Totholz zu präsentieren. Erkläre den Unterschied zwischen Kallus und Wundholz, Vitalität und Verjüngung, Primär- und Sekundärkrone, Proventiv- und Adventivknospen.

Wie gesagt, der Weg nach oben ist lang ... und spannend! Und demnächst mehr davon.

 

auf Facebook teilen